Blind Date der Dritten Art
 

Mia Steiff im Gespräch mit Jan Sollberger

Bei der Gaststätte Gotthard, Erstfeld, findet der gestresste Autofahrer einen Ort der Besinnung. Der Bau ist zwischen Autobahn und Reuss quer in ein Auenwäldchen eingespannt. Ich habe mich hier mit Mia Steiff verabredet, einer Frau, die sich permanent auf der Durchreise befindet. Wie passend! Der Kapellenraum für 50 Personen steht dicht an der Autobahn, ist gut sichtbar und soll den Vorbeifahrenden als Wegmarkierung in Erinnerung bleiben. Mia Steiff hat diesen unkonventionellen Ort vorgeschlagen. „Obwohl er voll daneben liegt, kommt niemand daran vorbei. Er ist wie ich,“ so lautet Mia Steiffs Begründung. Sie kommt lachend auf mich zu. Ich habe sie mir ganz anders vorgestellt, künstlicher vor allem. Aber sie sieht ziemlich echt aus. Jeansjacke und weiss Stiefeletten. Bei Dunkelheit wird das Gebäude geschlossen und von innen beleuchtet. Es ist 10 Uhr abends. Wir sitzen im Chorgestühl, ich nehme mein Mikrofon hervor, und das Interview kann beginnen.

j.s: War Ihnen Ihr Aufstieg in der Kunstszene jemals Unheimlich?

Mia: Unheimlich nicht. Ich habe mich nur gewundert wie schnell man an die Spitze gelangen kann. Es gab einen Punkt, Mitte der Neunziger, als jeder begann mir in den Arsch zu kriechen. Ich konnte gar nicht mehr einschätzen wieso es ausgerechnet mich traf. Es gibt zwei Möglichkeiten: entweder du bist ein Genie, oder irgendetwas läuft hier falsch.

j.s: Wofür haben Sie sich entschieden.

Mia: Für zweites, ganz klar. Ich habe mich genug lange mit Michelangelo beschäftigt, um zu wissen, dass ich kein Genie bin. Es konnte also nicht allein an mir liegen, der Markt musste schuld sein. Wenn man sich die Kunstwelt genau anschaut merkt man relativ schnell, wie unglaublich klein der ist. Alles spielt sich in London, New York oder Berlin ab, und es ist kaum mehr als eine Handvoll Leute, die wirklich das Sagen haben. Ein paar Galeristen und Sammler die zusammen den nächsten Hype inszenieren.

j.s: Träumten Sie schon lange vor beginn Ihrer Karriere davon, ein Star zu sein?


Mia: Nein, ich wollte eigentlich nie ein Star sein. Ich glaube ich bin auch eher so der stille Star. Meine Fans sind mir sehr nahe, z.B. bei Autogrammen habe ich immer Zeit für ihre Fragen, ich lasse mich auch gerne mit Ihnen fotografieren. Ich zeige nicht nur eben ein wenig Busen, und das wars dann, so machen es einige Sternchen, das kann ich immer nur belächeln.

j.s: Ihr letztes Projekt wurde sowohl von den Fans als auch von der Presse umjubelt und gefeiert. Fühlen sie sich dadurch zunehmendem Druck ausgesetzt oder ist das für sie eher ein Ansporn, noch einen drauf zu setzten?

Mia: Also, unterdessen habe ich die Galerie gewechselt weil ich mich mit einigen der Mitarbeiter überworfen hatte. Unter Druck lasse ich mich von niemandem setzten, ich lebe meine Kunst aus, wer sich sich dafür interessiert, soll es sich ansehen, ich freue mich darüber.

j.s: Früher haben sie ja wesentlich mehr Zeit verbracht, auf Kokain und Cocktails durch die Londoner Nächte zu stolpern. Sind sie aus den wilden Zeiten raus?

Mia: Das war wunderbares entertainement. Ich habe es geliebt, vier Tage nicht zu schlafen und dann an der Vernissage aufzutauchen wie eine Obdachlose. Wirklich alle dachten, das wäre es dann mit meiner Karriere. Die Woche darauf bin ich wieder rausgegangen, diesmal im Designeranzug. Es war ein Spiel. Ich habe nur irgendwann das Interesse daran verloren.

 
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